Wechselvolle Wirkungen prägten Schlesien, das Land an der
Oder, zwischen den Sudeten im Süden und der weiten Ebene hinter dem
schlesischen Landrücken im Norden, bevor es in das Licht der Geschichte
trat.
Der Zeitpunkt, zu dem Schlesien als ganzheitliches Gefüge in das
Licht der Geschichte tritt, fällt zusammen mit der bäuerlichen Siedlung.
Spätestens um das Jahr 1000 n. Chr. kann das Land Schlesien als eine
Einheit betrachtet werden, die indes bis dahin noch mancherlei
Gefährdungen ausgesetzt ist. Der Raum gerät von Süden her in den Einfluß
des böhmischen Machtbereichs, während von Norden her ein in Posen-Gnesen
entstehendes polnisches Staatsgebilde seinen Einfluß ebenfalls nach
Schlesien auszudehnen beginnt.
Im Jahre 1163 errichtet Kaiser Friedrich I.
Barbarossa die schlesischen Herzogtümer Breslau und Ratibor. Zugleich
beginnt die systematische Ansiedlung deutscher Bauern, Handwerker und
Bergleute, die vorwiegend aus Mitteldeutschland kommen. Die für sie
planmäßig angelegten Dörfer sichern als starke bäuerliche Ansiedlungen die
Grenzen des herzoglichen Herrschaftsbereiches und bilden zugleich den Kern
des deutschen Neustammes der Schlesier. In den folgenden 150 Jahren werden
in Schlesien an die 120 Städte und mehr als 1200 Dörfer angelegt.
Nach dem
Tode Heinrichs I. 1238, setzt sein Sohn Heinrich II. (1191-1241) die
Politik seines Vaters fort. Die verheißungsvolle Entwicklung wird indes
durch ein weltgeschichtliches Ereignis unterbrochen, mit dem das deutsche
Schlesien, ohne Hilfe des staufischen Kaisertums ganz auf sich selbst
gestellt, seine erste große Belastungsprobe zu bestehen hat. Die in Ungarn
und Schlesien eingefallenen Mongolen vernichten am 9. April 1241 auf der
Walstatt bei Liegnitz große Teile des Ordensritterheeres und die
schlesische Bürgerwehr. Das Datum der Schlacht bleibt eine entscheidende
Wegmarke in der schlesischen und deutschen wie europäischen Geschichte.
Der frühe Tod Heinrichs II. führt bald zu einer zunehmenden Schwächung des
niederschlesischen Herzogsgebietes durch die fortsetzende Teilung des
Territoriums in kleine und kleinste Fürstentümer, die alle ihr Recht auf
Selbständigkeit und Unabhängigkeit suchen. Lediglich Herzog Heinrich IV.
von Breslau, unter der Vormundschaft König Ottokars II. von Böhmen am
Prager Hof erzogen, bleibt noch die vor allem auch geistige beherrschende
Persönlichkeit. Gleichwohl führt das zunehmende Machtvakuum erneut zu
Einflußversuchen sowohl aus Böhmen, als auch aus dem 1320
wiedererrichteten Königreich Polen. In diesem Spannungsfeld fällt die
Entscheidung zugunsten Böhmens.
Nach dem Aussterben der Przemysliden (aus
Polen) gelangen die Luxemburger auf den Prager Thron. König Johann von
Luxemburg, Sohn Kaiser Heinrich VII. fügt dem böhmischen Erbe die durch
die Huldigung der schlesischen Fürsten gewonnene Lehnshoheit über
Schlesien hinzu. Der polnische König Kasimir III. erkennt die
Haltlosigkeit seiner polnischen Ansprüche und verzichtet am 24. August
1335 im Vertrag von Trentschin in Ungarn auf jeglichen Anspruch auf die
Fürstentümer, jetzt und für alle Zeiten. Spätestens dieses Datum bezeugt
nun: Schlesien ist deutsches Land.
Seine Geschichte nimmt unter dem Schutz
und der Obhut Böhmens, Österreichs und Schließlich Preußen ihren weiteren,
freilich wiederum wechsel– und schließlich schicksalhaften Weg. Nach dem
Trentschiner Vertrag ist die böhmische Krone Trägerin der gesamten
Entwicklung in Schlesien. König Johann von Böhmen aus dem Hause Luxemburg
(1296-1346) hält die Oberherrschaft über Schlesien in seiner Hand und
setzt den seit 1335 in Breslau amtierenden Landeshauptmann als seinen
Statthalter ein. Der Name Schlesien bezeichnet nun das ganze Land, das
Stammesbewußtsein der Schlesier fördert Einheit und Zusammenhalt. Noch zu
Lebzeiten des Königs huldigen die Schlesier dessen Sohn Karl (1316-1378).
Er, der Kurz vor Johanns Tod 1346 deutscher König und 1355 in Rom als Karl
IV. zum römisch-deutschen Kaiser gekrönt wird, erweitert seine Hausmacht
durch die staatsrechtliche Einbeziehung der schlesischen Fürstentümer in
die Krone Böhmens. In Schlesien entstehen jene bedeutenden Zeugnisse der
hohen Gotik, wie die Stadtpfarr– und Klosterkirche in Breslau.
Erzherzog Ferdinand von Österreich (1503-1564), der Bruder Karls V., erhält 1521 die österreichischen Erblande der Habsburger und wird vom böhmischen Generallandtag 1526 zum König von Böhmen gewählt. Schlesien schließt sich im Dezember 1526 auf dem Leobschützer Fürstentag dieser Wahl an.
Nach rund 200 Jahren der Zugehörigkeit zu Böhmen wird Schlesien nun wiederum zwei Jahrhunderte Teil des Habsburgerreiches (1526-1740). Die Fortsetzung der für die schlesische Zeitintervalle kennzeichnet dann auch Schlesiens preußische Epoche (1740-1945)
Die Einbeziehung Schlesien in das Habsburgerreich fällt zeitlich zusammen mit zwei geschichtlichen Vorgängen, die nicht ohne Auswirkung auch für das Land an der Oder bleiben: Die Reformation, die sich hier schon frühzeitig, etwa von 1520 an, also noch vor dem Übergang Schlesiens an Habsburg auszubreiten beginnt und für Schlesien erneut eine Bindung an den mittel-deutsch-elbischen Raum und damit zum deutschen Kernland hin bedeutet, und die Türkenkriege, in denen Österreich von 1526 an die Hauptlast der Verteidigung Mitteleuropa zu tragen hat.
Der Dreißigjährige Krieg, ausgelöst am 23. Mai 1618 durch den Prager Fenstersturz, ist eine Folge einzelner zunächst regionaler Kriege und Kriegszüge. Auch Schlesien wird zum Kampfplatz der rivalisierenden Mächte. Die Ereignisse in Schlesien sind gekennzeichnet durch die Wahl des Führers der protestantischen Union, des Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz, der 1620 in Breslau die Huldigung der schlesischen Stände entgegennimmt. Aber schon nach seiner Niederlage in der Schlacht am weißen Berg am 8. November 1620 muß er als „Winterkönig“ das Land verlassen. Der Kriegszug des Grafen Mansfeld führt zum Gegenstoß des kaiserlichen Heeres nach Schlesien. Das Oberamt verliert 1629 seinen ständischen Charakter und wird eine rein kaiserliche Behörde. Der kaiserliche Feldherr Albrecht von Wallenstein wird 1628 mit dem Fürstentum Sagan, 1632 auch mit Glogau belehnt. Die gefürchteten „Liechtensteiner Dragoner“ zwingen die Bürger in den Städten, sowie auch Breslau und den Erbfürstentümern, zur Rückkehr zur katholischen Kirche oder zur Auswanderung. Evangelische Grundherren verlieren wegen ihrer Anhängerschaft zum „Winterkönig“ ihre Besitzungen.
Im Jahr 1632 schließlich dringen Truppen der gegen den Kaiser gerichteten evangelischen Mächte, Schweden, Brandenburg und Sachsen nach Schlesien ein und fügen dem Lande vernichtende Schäden zu.
Erst der Westfälische Friede 1648 garantiert den evangelischen schlesischen Fürstentümern sowie der Stadt Breslau Religionsfreiheit zu. Trotzdem geht die systematische Unterdrückung der evangelischen Konfession weiter.
Obwohl die schlesische Bevölkerung durch den Dreißigjährigen Krieg und durch Pest schwere Verluste erleidet, entwickelt das Land zu jener Zeit eine ungewöhnliche geistige Produktivität. Mit dem Einfall Preußens in Schlesien 1740 ändert sich das Bild. Waren bisher neben Breslau das böhmische Prag und das habsburgische Wien die zentralen Punkte der schlesischen Geschichte, so wendet sich im preußischen Abschnitt seiner weiteren Entwicklung der Blick hinüber zum preußischen Berlin.
Der Regierungsantritt Friedrichs II. (!712-1786) am 31. Mai 1740 als König von Preußen leitet einen neuen Abschnitt in der Geschichte Schlesiens ein. Der König erhebt, noch bevor der durch die Thronbesteigung der Erzherzogin von Österreich und künftigen Kaiserin Maria Theresia ausgelöste österreichische Erbfolgekrieg beginnt, Ansprüche auf Teile Schlesiens, die er aus alten Erbrechten herleitet. Friedrich II. führt um den Besitz Schlesien mit unterschiedlichen wechselnden Kriegsglück drei schlesische Kriege. Am 16. Dezember 1740 beginnt mit dem Einmarsch preußischer Truppen in Schlesien der Erste Schlesische Krieg, in dessen Verlauf bis März 1741 fast ganz Schlesien besetzt wird. Nach der Niederlage der Österreicher bei Mollwitz im April 1741 tritt Maria Theresia im Vorfrieden von Breslau im Juni 1742 fast ganz Schlesien an Preußen ab.
Als sich 1743 die Lage Österreichs im Verlauf des Erbfolgekrieges bessert, greift Friedrich II. erneut in Schlesien ein, um dessen Besitz für Preußen zu retten. Mit dem Einmarsch in Böhmen im August 1744 eröffnet er den Zweiten Schlesischen Krieg, der ihm zunächst schwere Verluste einbringt und ihn zum Rückzug nach Schlesien zwingt. Hier führt sein Sieg bei Hohenfriedeberg 1745 zum Frieden von Dresden, der den Besitz Schlesiens bestätigt.
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